30.Juni 2006
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Rates der Stadt Greven,
zu Beginn der Ratssitzung
am 5. April 2006 wurde Ihnen, Herr Bürgermeister, eine Resolution mit
Adressenlisten und Unterschriften von 162 Bürgern überreicht.
Diese Resolution
wendet sich gegen die ständig steigenden Kosten für Energie, an denen örtliche
Energieversorger wie die Stadtwerke Greven GmbH ein hohes Maß an
Mitverantwortung tragen, der sie sich aber häufig durch eine bewusst
verschleiernde Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit zu entziehen
versuchen. Verantwortung dafür tragen aber auch nicht wenige Kommunalpolitiker, die sich völlig unkritisch
auf bequeme und dauerhafte Zuwendungen für die öffentlichen Haushalte
eingerichtet haben.
Die Resolution hat folgenden
Wortlaut:
„Wir appellieren an
Stadtrat und Bürgermeister der Stadt Greven, die Stadtwerke nicht vorrangig zur
Einnahmen-Verbesserung der städtischen Finanzen zu nutzen, sondern zur
Versorgung der Bürger und Gewerbetreibenden mit bezahlbarer Energie. Wir wehren
uns dagegen, dass insbesondere die Gewinne aus dem Gasgeschäft zur Finanzierung
anderer kommunaler Aufgaben herangezogen werden, weil dies eine einseitige
Belastung der Gaskunden aus sachfremden Erwägungen ist. Wir fordern Sie daher
auf, sich für die Rücknahme der Preiserhöhungen einzusetzen.“
Nach Angaben des
Bundes der Energieverbraucher haben in Deutschland inzwischen etwa 500.000
Bürger Widerspruch eingelegt gegen die Preiserhöhungen ihrer Energieversorger.
Dazu gehört auch eine hohe Zahl von Grevener Bürgern, die den Preiserhöhungen
der Stadtwerke Greven GmbH vorwiegend wegen Unbilligkeit unter Berufung
auf §315 BGB widersprochen haben. Darüber
werden im Zweifelsfall die Zivilgerichte zu entscheiden haben.
Die politische Verantwortung für die städtischen Unternehmen
Kernpunkt der oben
genannten Resolution ist aber die politische Verantwortung für die
Preisgestaltung der Stadtwerke Greven GmbH, die eindeutig beim Mehrheitseigentümer
liegt: der Stadt Greven. Dieser Verantwortung versucht sich der Stadtrat seit
mehreren Jahren systematisch zu entziehen, indem Diskussionen über die Stadtwerke
Greven regelmäßig an deren Aufsichtsrat weitergeleitet werden – wohl wissend,
dass damit in der Regel die öffentliche Diskussion beendet ist.
Dabei kann es keinen
Zweifel darüber geben, dass die Stadt Greven die Verantwortung für die
strategische Ausrichtung ihrer privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen
hat und nicht etwa der Aufsichtsrat oder sonstige Organe der Gesellschaft. Das
ergibt sich eindeutig aus §113 Abs.1 der Gemeindeordnung. Das ergibt sich aber auch
aus den Rechten des Mehrheits-Gesellschafters gegenüber dem Geschäftsführer und
aus seinen Rechten bei der Feststellung des Jahresabschlusses nach dem
GmbH-Gesetz. Schließlich ergibt sich die Verantwortung ebenfalls aus dem
Gesellschaftsvertrag, den die Stadt Greven im übrigen
gemäß § 53 GmbH-Gesetz jederzeit ändern kann, weil sie über die dazu notwendige
Drei-Viertel-Mehrheit der Geschäftsanteile verfügt.
Gleichwohl zeigen die
Niederschriften der Ratssitzungen in Greven, dass fast alle Diskussionen zum
Thema „Stadtwerke“ unter Hinweis auf die angebliche Zuständigkeit des
Geschäftsführers oder des Aufsichtsrates der Stadtwerke Greven GmbH in aller
Kürze beendet werden. Und selbst die Beschlüsse, mit denen der Stadtrat seine
Mitglieder in der Gesellschafterversammlung oder im Aufsichtsrat der Stadtwerke
für grundsätzliche Entscheidungen (z.B. bei der Feststellung des
Jahresabschlusses) legitimiert, werden in der Regel ohne jede Diskussion
getroffen.
Jüngstes Beispiel
dafür war in der Ratssitzung vom 5.4.2006 Ihr Versuch, Herr Bürgermeister,
einen Bürgerantrag an den Aufsichtsrat der Stadtwerke zu verweisen, mit dem
Herr Thiel die Kündigung des Vertrages mit der Contigas / Thüga AG vorschlägt.
Unabhängig von der Stichhaltigkeit dieses Antrages sollte Übereinstimmung darin
bestehen, dass die Beziehung zu einem Mitgesellschafter der Stadtwerke GmbH
nicht in deren Aufsichtsrat gehört – ein Gremium, in dem der Mitgesellschafter
ja selbst mit vier Stimmen vertreten ist. Und über ureigene Belange der Stadt
Greven wie die Kündigung eines Vertrages kann der Vertragspartner kein
Mitspracherecht haben. Von dem Interessenskonflikt für den
Aufsichtsratsvorsitzenden der Stadtwerke Greven GmbH, der gleichzeitig als
Beiratsmitglied auf der Gehaltsliste des Vertragspartners Thüga AG steht,
einmal ganz abgesehen.
Politische Diskussion über Einnahmen ist unerwünscht
So ist es
offensichtlich, dass die politische Diskussion zum Thema „Stadtwerke“
unerwünscht ist, weil ein politischer Begründungszwang die Schwachstellen im
System wirtschaftlicher Betätigung der Kommune offen legen könnte. Und es
erscheint allemal einfacher zu sein, politisch brisante
Fragen als betriebswirtschaftliches Problem zu deklarieren und dann in andere
Gremien abzuschieben, anstatt selbst Antworten geben zu müssen. Hier heiligt
parteiübergreifend der Zweck der Einnahmenverbesserung die Mittel und niemand
fragt danach, ob denn die Gewinne der Stadtwerke GmbH angemessen sind und auf
einigermaßen gerechten Grundlagen beruhen.
Wird auf der
Einnahmenseite also häufig auf die Unabhängigkeit der städtischen Unternehmen
verwiesen, um politische Diskussionen im Keim zu ersticken, so gilt das für die
Ausgabenseite keineswegs. So hatte die Mehrheit des Stadtrates beispielsweise Ende
vergangenen Jahres aus Anlass der geplanten Startbahnverlängerung am Flughafen
Münster-Osnabrück (FMO) keine Bedenken, ihre
Rechte als Gesellschafter der Verkehrs GmbH (GVG) wahrzunehmen, um dort per
Ratsbeschluss die vorhandenen Rücklagen in Höhe von knapp 800.000 € kurzerhand
aufzulösen. Der Stadtrat hatte auch keine Bedenken, massiv in die
Geschäftspolitik der GVG „hineinzuregieren“, und sie zur Aufnahme eines Kredits
in Höhe von ca. 2,5 Mio. € für die Startbahnverlängerung zu zwingen. Diese
Entscheidung war ausschließlich politisch motiviert - aus betriebswirtschaftlicher
Sicht war sie hingegen völlig abwegig. Denn bei 17.000 € Jahresumsatz der GVG
und einem regelmäßigen jährlichen Verlust von ca. 100.000 € ist kein Kredit
rückzahlbar, schon gar nicht in dieser Größenordnung. Doch hier war der
politische Wille offensichtlich stärker. Und mit einem Handstreich fegte er
außerdem rechtliche Fragen danach beiseite, ob denn die Startbahnverlängerung
am FMO mit den im Gesellschaftsvertrag festgelegten
Gegenstand der Grevener Verkehrs GmbH in Einklang zu bringen sind.
Quersubventionierung
Bereits im
Energiewirtschaftsgesetz von 1998 sollte die Quersubventionierung
unterschiedlicher Unternehmensbereiche dadurch unterbunden werden, dass
zumindest Elektrizitätsunternehmen in ihrer Buchführung getrennte Konten für
die Bereiche Erzeugung, Übertragung und Verteilung sowie für Aktivitäten außerhalb
des Elektrizitätsbereichs zu führen hatten (§9 Abs.2). Dem sind auch die
Grevener Stadtwerke nachgekommen, ohne aber die darüber hinausgehende Forderung
des Gesetzes zu erfüllen, eine Schlüsselung der Konten vorzunehmen, die auch
für Dritte nachvollziehbar sein muss.
Mit dem
Energiewirtschaftsgesetz von 2005 wurde die unerlaubte Quersubventionierung
dann ausdrücklich beim Namen genannt (§10 Abs.3) und festgelegt, dass
Energieversorgungsunternehmen u.a. für die Bereiche Elektrizitätsübertragung,
Elektrizitätsverteilung, Gasfernleitung und Gasverteilung intern jeweils
separate Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen aufzustellen haben. Mit
dem Inkrafttreten dieser Vorschriften wird auch die Stadtwerke Greven GmbH
wenigstens teilweise ihre von der Kommunalpolitik geförderte „Geheimnistuerei“
aufgeben und die Gewinnsituation ihrer unterschiedlichen Geschäftsbereiche
darlegen müssen. Es kann allerdings unterstellt werden, dass in Zukunft
insbesondere die erheblichen Gewinne im Gasgeschäft mit den Methoden kreativer
Buchführung klein gerechnet werden.
Denn die
Verantwortlichen der Stadt Greven sind auch bisher schon bemüht, die
erheblichen Transferzahlungen zwischen den städtischen Betrieben nicht als
solche erscheinen zu lassen. Und so sind nach der offiziellen Lesart die drei
städtischen privatwirtschaftlichen Unternehmen völlig unabhängig voneinander,
die lediglich zum Zwecke der Steuerersparnis zusammengefasst worden sind.
Doch die Wirklichkeit
sieht anders aus: Alle Gesellschaften haben denselben Geschäftsführer; mit
Ausnahme der Thüga-Vertreter bei den Stadtwerken sind außerdem die Mitglieder
in den Gesellschafterversammlungen und den Aufsichtsräten identisch. Darüber
hinaus haben die Bäder GmbH und die Verkehrs GmbH überhaupt kein eigenes
Personal (Personalkosten im Jahr 2004 gleich Null!) - sie werden von der
Stadtwerke GmbH mitverwaltet. Und auch die eigene Internetseite weist aus, dass
die Stadtwerke GmbH die städtischen Bäder und den Personennahverkehr zu ihren
eigenen Aufgaben zählt.
Es gibt daher de
facto keine unabhängigen städtischen Gesellschaften, die lediglich zur
Steuerersparnis unter dem Dach der GVVH GmbH zusammengefasst wären. Vielmehr handelt
es sich im handelsrechtlichen Sinne eindeutig um verbundene Unternehmen, die
Gewinne und Verluste nach Belieben hin- und herschieben. So werden mit den
Gewinnen der Stadtwerke GmbH andere Bereiche quersubventioniert, die mit der
Energieversorgung nicht das Geringste zu tun haben. Beispiel Nr. 1 sind die
städtischen Bäder, die jedes Jahr aus dem Gewinn der Stadtwerke „über Wasser“
gehalten werden - im Jahr 2004 etwa mit 1,1 Mio. Euro. Beispiel Nr.2 ist die
Startbahnverlängerung am Fughafen Münster-Osnabrück. Zu ihrer Finanzierung hat
der Stadtrat, wie bereits erwähnt, die Grevener Verkehrs GmbH zur Aufnahme eines
Kredits von bis zu 2,5 Mio. Euro verpflichtet. Es ist aber offensichtlich, dass
dieser Kredit ausschließlich aus den Gewinnen der Stadtwerke GmbH bedient werden
kann.
Daher stellt sich in
aller Klarheit seit Jahren die Frage, weshalb die Energiekunden der Stadtwerke
GmbH einen Großteil der städtischen Bäder mitbezahlen müssen. Und seit relativ
kurzer Zeit erhebt sich die Frage, welcher Sachzusammenhang zwischen dem
Energieverbrauch der Einwohner Grevens und der Startbahnverlängerung am FMO
existiert. Und da bei der Stadtwerke GmbH die Gasversorgung den weitaus meisten
Profit abwirft, sind es vor allem die Gaskunden, bei denen eine Antwort auf die
Frage überfällig ist, warum sie über hohe Gaspreise sowohl Hallen- und Freibad
als auch die Startbahnverlängerung am FMO zu tragen haben. Oder anders gefragt:
Wie lässt es sich begründen, dass Eigentümer von Öl- oder Holzheizungen nicht
für die vorgenannten Aufgaben herangezogen werden?
Energiewirtschaftsgesetz: Preisgünstige Versorgung mit
Elektrizität und Gas
Sowohl das
Energiewirtschaftsgesetz von 1998 als auch jenes von 2005 verpflichten die
Energieversorgungsunternehmen in §2 i.V. mit §1 auf eine möglichst „preisgünstige,
verbraucherfreundliche …leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit
Elektrizität und Gas“.
Während die Preise
für Elektrizität wenigstens in beschränktem Umfang staatlicher Kontrolle
unterliegen und ein Mindestmaß an Wettbewerb vorhanden ist, werden die
Gaspreise ohne öffentliche Kontrolle und in aller Regel ohne den geringsten
Wettbewerb vom jeweiligen Versorgungs-unternehmen festgesetzt. Der Willkür in
der Preisgestaltung bei der Gasversorgung ist damit Tür und Tor geöffnet. Und
die Kommunen, die vielfach Eigentümer der Gaslieferanten sind, orientieren sich
weniger am Ziel einer möglichst preisgünstigen, verbraucherfreundlichen
Versorgung der Allgemeinheit mit Gas im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes, als an der Möglichkeit zur Verbesserung ihrer
eigenen Finanzsituation.
Das gilt in
besonderem Maße auch für die Stadt Greven. So haben deren Stadtwerke im Jahr
2002 einen Gewinn von etwa 3,0 Mio. € eingefahren und in den beiden Folgejahren
jeweils 2,5 Mio. €. Ausweislich der Jahresabschlüsse handelt es sich dabei insbesondere
um Gewinne aus dem Gasgeschäft.
Nun wird man zwar
auf §109 Abs.1 der Gemeindeordnung
verweisen können, in der festgeschrieben ist, dass die privatwirtschaftlichen
Betriebe einen Ertrag für den Haushalt der Kommune abwerfen sollen.
Entscheidend ist aber die darauf folgende Bedingung: nämlich Erträge für den
kommunalen Haushalt nur insoweit, als dadurch die Erfüllung des öffentlichen
Zwecks nicht gefährdet wird. Die Präzisierung des öffentlichen Zwecks aber
liefert das Energiewirtschaftsgesetz: eine preisgünstige und
verbraucherfreundliche Energieversorgung. Sie ist mit Gewinnen in der o.a.
Größenordnung schlechterdings nicht zu vereinbaren.
Das wird
nachdrücklich untermauert durch einen Blick auf die Verzinsung des
Eigenkapitals, die bei privatwirtschaftlichen Unternehmen nach §109 Abs.2 der
Gemeindeordnung „marktüblich“ sein soll. Doch davon kann bei der Stadtwerken
Greven GmbH nicht die Rede sein. Denn sie erzielte im Jahr 2004 eine Eigenkapitalrendite
von ca. 33%, die beispielsweise mehr als doppelt so hoch war wie diejenige der
Deutschen Bank. Und die durchschnittliche Verzinsung des Eigenkapitals aller deutschen
Industrieunternehmen lag im Jahr 2004 bei gerade einmal 3,5%. Lägen schließlich
für das Gasgeschäft in Greven gesonderte Zahlen vor, so würde man mit
Sicherheit feststellen können, dass die Gewinnmarge dort in einer Größenordnung
liegt, von der selbst hervorragend aufgestellte Unternehmen nur träumen können.
Zusammenfassung
Die Stadtwerke Greven setzen sich seit langem mit Billigung
der Kommunalpolitik über gesetzlich fixierte Grundlagen hinweg. Sie halten mit
Billigung des Stadtrates die Energiepreise künstlich hoch, um andere Bereiche
damit subventionieren zu können. Sie orientieren sich weniger an der Versorgung
der Bevölkerung mit preisgünstiger Energie als am Prinzip der
Gewinnmaximierung. Und sie setzen seit Jahren die Energiepreise so hoch fest,
dass das eingesetzte Kapital der Stadt Greven weit über dem Marktüblichen verzinst
wird.
Daher appellieren wir
an Sie, sehr geehrte Damen und Herren des Rates der Stadt Greven und Sie, sehr
geehrter Herr Bürgermeister, Ihre politische Verantwortung für die städtischen
Unternehmen wahrzunehmen. Zusammen mit den Unterzeichnern der Ihnen
überreichten Resolution bitten wir nachdrücklich darum, sich für eine unverzügliche Änderung der
Energiepreise einzusetzen.
Mit freundlichen
Grüßen
Für den Sprecherrat
der IG-Gaspreis
Dr. Hamers